Schwarze Erde

Lanzarote. Natur und Kultur verschmelzen auf magische Weise. Inmitten vulkanischer Aschefelder und alter Krater lernen Menschen Tag für Tag das Land zu nutzen. Die Weinberge, geboren aus der Erde, sind Symbol für das Überleben in der scheinbar unfruchtbaren Welt.
Die Insel, mit ihren Mondlandschaften und Vulkanen, erzählt von tiefer Verbindung zwischen Mensch und Natur. Wer die steinigen Wege geht, wird mystische Landschaften und geheimnisvolle Gesichter finden.

Momente – Leben

In der majestätischen Alpenwelt schwebt eine Stahlkonstruktion der Luftseilbahn zwischen Himmel und Erde – Sinnbild menschlicher Ambitionen und Überwindung. Eine junge Frau steht verdeckt am Rand der Plattform, den Blick fest auf die schneebedeckten Gipfel gerichtet. Matterhorn, Alpine Crossing.
Ihr Herz pocht im Takt der metallischen Seilbahn, während ihre Gedanken gegen die Wolken kämpfen. „Glaube an dich“, flüstert der Wind, „du bist stärker als du denkst.“
In der stillen Umarmung der Berge findet sie den Mut, sich den Höhen und Tiefen des Lebens zu stellen.
Hier, hoch oben, lernt sie die Kunst des Bestehens – Vertrauen, Mut und die Freiheit, die Wahrheit zu leben.

Utopia

Mitten im Markgrafenland erhebt sich ein architektonisches Wunder, das die Grenzen zwischen Fantasie und Realität verschwimmen lässt.
Dieses utopische Gebäude, mit seiner glänzenden Fassade und den futuristischen Formen, zieht die Blicke auf sich und weckt Erinnerungen an den dystopischen Klassiker Soylent Green.
Die Kontraste könnten nicht grösser sein. Hier, die strahlende Ästhetik des Bauwerks – dort, im utopischen Jenseits die düstere Vision einer überbevölkerten, ressourcenarmen Welt.
Die Frage bleibt – ist die weisse Fassade nur künstliche Illusion?

Das Fenster zum Hof

Im frühen Morgen enthüllt sich der Innenhof wie ein Geheimnis. Durch mein Fenster fliesst sanftes Licht, und die leeren Weingläser vom Vorabend auf der Terrasse vermitteln Ruhe. Doch eine subtile Spannung liegt in der Luft, wie der Nachklang des nächtlichen Gesprächs.
In diesem Moment erinnere ich mich an Hitchcocks Das Fenster zum Hof. Es ist mehr als nur ein Film über Male Gaze, den männlichen Blick; es enthüllt die Stärke der Frauen in einer von Männern dominierten Welt.
Hitchs Rear Window (so der Originaltitel) ist eine Reflexion über Macht, Kontrolle und die Suche nach Wahrheit – ein Einblick durch Fenster und Türen in das Leben zwischen Realität und Phantasie.
An einem der Weingläser lebt noch ein Hauch von Parfüm. Ohne Einbildung – es muss wohl der Frauenduft Trésor von Lançome sein. Male Gaze?

Trompe-l’œil?

Das Schaufenster, das mit Kanye Wests HipHop-Opus „KIDS SEE GHOSTS“ und einer Figur von Jean-Michel Basquiat eine Art Galerie simuliert, hält die Neugierde der Passanten wach. Das Fahrverbotsschild mit seiner Sprechblase wirkt wie ein vergessenes Relikt vergangener Zeiten, während das Tor zur Durchfahrt und der Hauseingang verschlossen bleiben. Sind sie Teil einer kunstvollen Pappmaché-Kulisse?
Eine Ahnung schleicht sich ein – diese Szenerie ist minuziös inszeniert. Alles wirkt wie ein stillstehender Film, die Schauspieler ahmen den Einzug in das verschlossene Biedermeier-Haus nach, das schon lange dem Abriss geweiht.
Das behutsame Anfassen der Charles-Eames-Stühle, das Tragen mit nur zwei oder drei Fingern, deutet auf Kontamination, sprich den ansteckenden Wandel von Sehnsucht zu Sehnsucht hin. Noch ist in diesem konstruierten Setting unklar, wer zu wem gehört. Heute Abend werde ich ein Backup zu diesem Trompe-l’œil durchführen. Nicht nur Kinder sehen manchmal Geister.

Ausgestorben?

Die Knochenfossilien enthüllen – der Crossopterygiformes (schwieriges Wort, ich weiss) durchstreifte vor mehr als 360 Millionen Jahren die Meere. Ein Zeitalter, das ihn um 290 Millionen Jahre vor dem Tyrannosaurus Rex platziert.
Paradoxerweise galt der Quastenflosser wie die Dinosaurier als ausgestorben – bis 1938: Damals wurde vor der südafrikanischen Küste ein 1,50 Meter langer, über 50 Kilogramm schwerer Fisch gefangen.
Der Druckverlust beim Auftauchen führte dazu, dass das neu entdeckte Quastenwesen bereits leblos an die Oberfläche kam, was jedoch den vermeintlichen Aussterbe-Mythos in Frage stellt und ein weiteres Kapitel in dieser faszinierenden Geschichte öffnet.
Aus dem Devon auferstanden – im Heute angeschwemmt.

Beim Kobold

Im Raureif der Metamorphosen schreibt das Leben seine Geschichten ins Pergament der Vergänglichkeit. Der junge Papierbeutel wird zum stillen Chronisten einer Welt, in der das Wunderbare im Unscheinbaren lebt.
Der von Laub vermoderte Kobold hütet einäugig das Geheimnis der Überlieferungen, die in den verborgenen Ecken im Garten der Zeit verweilen. In der Symbiose von Vergänglichkeit und Neubeginn entfaltet sich ein magischer Realismus, der die Wirklichkeit verschwimmen lässt.

El viaje definitivo

…Und ich werde gehen. Die Vögel werden weitersingen; mein Garten verbleibt, mit seinem grünen Baum und seinem weissen Brunnen.
Jeden Nachmittag ein blauer, gelassener Himmel; jeden Nachmittag, wie heute, das Läuten der Glocken im Glockenturm.
Die mich liebten werden sterben; das Dorf wird sich in jedem Jahr erneuern; und in jener Ecke meines blühenden und geweisselten Gartens irrt nostalgisch mein Geist…
Und ich werde gehen; allein werde ich sein, ohne Heim, ohne grünen Baum, ohne weissen Brunnen, ohne blauen, gelassenen Himmel…
Die Vögel werden weitersingen.
[Juan Ramón Jiménez]

In der Bubble

„Ich frage mich, ob ich morgen noch zu dir kommen soll? Die Reiserei ist nicht lustig. Gestern ist der Flughafen erneut gesperrt – vom Umleiten des Fluges nach Genf sprichst du nicht und vom Anstehen an der Bahnhof-Billettschlange, dem vermissten Koffer, der nicht nach Hause findet?“, murmelt sie, ihre Gedanken in den Wind hauchend.
Ihr agiler Mann lebt Momente in seiner Cloud in frivoler Isolation und versucht sich vor den Herausforderungen und Unannehmlichkeiten der Welt abzuschirmen.
Sie schenkt mir ein Lächeln und verklappt die Mobilehülle.
Der geheime Garten, den Frauen in sich tragen, ist Männern oft unbekannt.
Mit wem sie wohl gesprochen hat?

Tarantula Cyriopagopus

Gewiss, sie sind gefragt, eine wahre Delikatesse. In den Wet Markets von Kambodscha trifft man zahlreiche Gourmets, die sich an frittierten Köstlichkeiten ergötzen. Die steigende Beliebtheit dieser kulinarischen Freuden fordert jedoch einen hohen Tribut – der groteske Artenschwund bedroht die Tarantulae in ihrer Existenz.
Inmitten dieses Szenarios setzt eine junge Wissenschaftlerin aus Wien* ihre Entschlossenheit ein, die bedrohte Spezies zu erforschen. Mithilfe von Feldforschung, DNA-Barcoding und Nanotechnologie gewinnt sie wertvolle Informationen über diese einzigartigen Kreaturen. Ihre Bemühungen tragen dazu bei, das Überleben der faszinierenden Vogelspinnenart Cyriopagopus zu sichern.
Möglicherweise wird die Zukunft die Delikatessen-Esser dazu bewegen, ihre Mägen in Vegan-Grill-Shops zu füllen, wo sie gleichzeitig die Umwelt und die Tierwelt schützen können.
[*Universität Wien, Department of Evolutionary Biology]

Inemuri [居眠り]

Er wird sich der Realität bewusst und ein zarter Hauch von Verlegenheit huscht über sein Gesicht. Der junge Japaner Haruto hebt den Kopf, seine Augen noch verschwommen von seinem seichten Inemuri. Haruto hat den Moment seiner Ruhe inmitten des Alltags genossen, ohne die Zeit aus den Augen zu verlieren. Als er sich aufrichtet und in die Welt zurückkehrt, bemerkt er die leichte Rührung in den Augen seiner trippelnden Kimiko, die still und respektvoll sein kurzes Schlummern zur Kenntnis nimmt.
Es ist ein flüchtiger Augenblick des Entspannens, des Auftankens bevor er in den Strudel der Eiligkeit eintaucht. Inemuri ist mehr als nur ein Zauberwort.

View Master

Die Magie des Wahrnehmens. Eine apart schlanke Schöne fingert in der Jeanstasche nach einem Quarter und befolgt „TURN TO CLEAN VISION“ am roten Knopf des Touristen-Fernglases, vis à vis der Freiheitsstatue auf Ellis Island. Der Dunst vernebelt.
Der View-Master in dunklem Bakelit vom Kiosk nebenan versöhnt mit 3-D, Nähe und bunter Klarheit. Erraten, das ist Jahrzehnte her.
Diese Tage, beim Ophthalmologen in der designed hellen Augenklinik. Meine Farb-Fehlsicht schärft die Grautöne. Richtig – der View-Master war nie wirklich schwarz.

Neusprech

Georg Orwell erfindet im dystopischen Roman «1984», die gereinigte Sprache Neusprech (Newspeak). Kritisches Denken wird verhindert. Fakten verdreht. Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei und Unwissenheit ist Stärke.
Der Klassiker, 1948 von Orwell vollendet, in 1984 verdreht. Die Kognition der Aufnahme, das Verarbeiten und Speichern von Information ist virulent.
Das schützend verparkte Sonnensegel ist bedrohlich getarntes Geschütz.

Nahe Konstanz

Ein Traum, wo mich Freunde grüssen, die ich nicht mehr kenne. Ich schäme mich für die junge Begleiterin Aurelia – versuche so zu tun als wäre die Zeit schon zu lange verstrichen, um sich noch erinnern zu müssen. Ich schiebe meine Antwort zum „…Aja, wie geht’s euch denn…“ bis ins Unerträgliche hinaus. Das Ziel ist, den ewigen Aufschub zu erreichen, und daher nie das Ziel.
Sie laufen weit voneinander voran, die Freunde, die ich vielleicht kennen sollte. Ich träume weiter, lasse mich im Traum des Wiedersehens treiben.
Aurelia meint, die Freunde seien zu alt, um dass ich sie noch kennen müsste. Vielleicht war dies nur versöhnlich gemeint.
Wach, denke ich, die Szene spielte sich nahe Konstanz ab. Ich frage Aurelia, wenn ich sie finde.

Das Ich ist eine Andere

Da sagte ich zu ihr: «…O ja die Welt ist da für Liebe, für Jungfer, und bangen Galan…». Ich wusste nicht, sie wuchs in einem patriarchalisch puritanischen Hause auf.
Sie meinte, diese Geste fällt mir nicht schwer.
Erst viel später entblättere ich – die Zeilen mit dem bangen Galan sind der Lyrikerin Emily Dickinson zugeschrieben. Emily stammte aus einem streng calvinistischen Heim.

Der Träumer

Du bist so weit gereist und gereift mein Held. Du scheinst rausgewachsen aus dem irdischen Dasein. So wirkt es auf mich.
Sei stolz auf dich. Bitte, du siehst die Welt anders. Spürst sie anders.
Du hast so unheimlich viel geleistet dafür.
Bitte nicht an dir zweifeln und die Zombies lassen wie sie sind – sie können nicht anders.
Du bist einzigartig.

Rose [rəʊz]

Manchmal sind Bilder alles andere, nur keine Bilder. Manchmal sind sie Musik. Ich denke an Rose, die Konzertpianistin, die frühe Nachbarin im Stadthaus. Jugendjahre der Musik.
Rose war beeindruckt von Frédéric Chopin, dem genialen Romantiker. Sie schätzte ihn als hervorragenden Komponisten, war angetan von seinen Neuerungen im Nutzen der Pedale und dem Fingersatz. Dem Spiel zwischen schwarzweisser Tastatur.
Rose. Das Bild der Klavierspielerin. Wieder rätselhaft versunken – abwesend anwesend. Vielleicht nur konzentriert auf die Melodie der Imagination?
Die Erinnerung – der Klang längst vergangener und schon vergessen geglaubter Zeiten. Rose und Chopin – Musik aus reiner Emotion geboren. Das Bild lässt mich nicht los.

Filmstill

Ausserhalb der smart gestylten Studioszene. In der Pause im harten Licht. Mich fasziniert der Ausdruck von Stolz, die wilden Haare von Michelle. Ein charaktervoller Augenblick, der im flirrenden Sonnenlicht im Sekundenbruchteil aufblinkt. Ein Flashback zu Filmstills von Tennessiee Williams The Rose Tattoo. Im gleichnamigen Film brilliert Anna Magnani als Serafina. Sie gewinnt als erste italienische Schauspielerin den Oscar als beste Hauptdarstellerin.
Tennessee Williams meinte über Magnani: „Sie stand so sehr ausserhalb jeder Konvention wie niemand sonst, den ich in meinem Leben gekannt habe… In dieser Unbürgerlichkeit wurzelte wohl auch ihre stolze Selbstsicherheit.“
Genau diese Momente sind Siegel des Filmstills. Kraftvoll. Magnani ist Michelle. Michelle ist Magnani.

Das Grauen

Er überlebt den Flugzeugabsturz über der Krim. Kriegstraumatisiert. Tataren retten ihn, bedecken seinen Körper mit Fett und wickeln ihn in grauen Filz. Diese Legende lebt er zeitlebens – die Geschichte zeigt mythische Symbolik. Die Materialien deuten die Fabel von Tod und Wiedergeburt. Ein Nomadenvolk erweckt ihn zum Leben – erlöst ihn von seiner Kriegsschuld.
Josef Beuys (1921-1986) Soldat, Bildhauer, Performancekünstler ist einer der einflussreichsten Protagonisten der Kunst des 20. Jahrhunderts.
An der Documenta 1982 schmilzt er öffentlich das alte Replikat der goldenen Krone von Zar Ivan des Schrecklichen zum goldenen Friedens-Hasen um – das Lebenssymbol Joseph Beuys‘. Sein Credo ‚Die Ursache liegt in der Zukunft‘ bekommt erschreckende Aktualität. Das Undenkbare ist passiert. Das Grauen hat uns eingeholt. Der Machtwahn ist grenzenlos.
Die Kleider aus dichtem Filz werden Vertriebene wärmen.
Das Morgen bestimmt unser Leben mehr als die Vergangenheit.

Kyudo

An einem Tag wie diesem. Die perfekt symmetrische Feder einer weissen Taube liegt vor der Bauernhaustür. Intuition.
Am Nachmittag treffe ich erneut die weisse Feder. Sie ist nun haargenau eingepasst in zwei Pfeilbogen, neben einem Yumi. Der asymmetrische Bogen ist mit über 2 Meter enorm lang.
Japan. Im Ateliergarten. Reini der Bildhauer, Zeichner und Kyudo-Meister. Er steht in ästhetischer Ruhe. Schönheit, Wahrheit, Güte. Bin ich Tetsuya, in Coelhos Der Weg des Bogens begegnet? Die Geschichten des Meisters sind Prolog und Epilog – Gedanken und Erkenntnisse zu den Phasen des japanischen Bogenschiessens Kyudo. In jeder Zeit des Lebens ist der Weg des Bogens enthalten. Auch an einem Tag wie diesem, an dem ich Reini traf.

Der Uaso Nyiro

Nun liegt er vor mir, der Uaso Nyiro. Das letzte Mal habe ich ihn über Kenia gesehen, beim Flug von Tansania nach Europa. Vom Sitz A14 (der eigentlich in der 13ten Reihe steht) auf die Erde schauen – in der wohlig klimatisierten Swissair Tube.
Emerson Lake and Palmer – die AirPods sind im Transparenzmodus, damit ich die gepressten Stimmen aus dem Cockpit nicht verpasse… («unter uns, das Flussdelta des Uaso Nyiro…»).
Gedankenversunken schwebe ich über dem CD-Cover von Brain Salad Surgery hin zu HR. Giger, zu den Airprush Erotomechaniks, den Alians und Biomechanoiden. Seine phantastisch-surrealen Werke – die visuellen Effekte sind geniale Meilensteine der neuen Kulturwelt.
Nun liegt er wieder vor mir, der Uaso Nyiro – im Weinbergdorf, gefallen vom Sturmtief vor wenigen Tagen.
Die armdicken Efeu-Äste, am Stamm klammernd und festgesaugt, werden im Winter mit dem stattlichen Kirschbaum Wohnstuben wärmen.
Ich bin mir heute nicht sicher, war’s zuerst der monochrone Musik-Rhythmus, das iPod-Coverbild-Bild oder der A 14-Sitz-Ausblick in der 13ten Reihe, der mich glücklich inspirierte?

Der Zahnwurm

Sie klagt im schneebedeckten Atlasgebirge auf der Fahrt nach Essaouira über heftige Zahnschmerzen. Tränen. Der im dunklen Kaftan gekleidete Marabout kann nicht helfen und murmelt unverständlich vom Zahnwurm. Sein stark lückenhaftes Gebiss lässt nicht grosse Zahn-Heilkunde vermuten.
Monate später. Der versierte Parodontologe in der Spezialklinik in Langenthal meint: „…es ist fünf vor zwölf.“
Das berühmt-berüchtigte Paar – das Implantat mit chronischer Entzündung ist nun weg.
Auf der Fahrt nach Hause sehe ich in ihrem Blick grosses Glück. Die verschneiten Alpen blenden im Sonnenlicht.
Ich denke an den Marabout im Atlasgebirge. Ich schwör’s, ich habe kurz den Zahnwurm gesehen.

Pilany

Wie eine Choreographie, geführt von leiser Melodie. Ein offenes, weiteres Photo-Projekt. Unverfälscht, direkt, ehrlich – Raum und Momente finden. Eine Reise in eine andere Welt.
Ich bin zu früh am Set auf dem Reitergut im Markgrafenland. Es riecht nach Pferdehaar und frisch gewachstem Lederstiefel – Stallgeruch. Die Schabracke, Sattellage und Pauschen sitzen. Bereit zur Auszeit, die Freiheit zu leben.
Die vornehme Schimmel-Dame Pilany scheint kurz irritiert – das erste Klickgeräusch der leisen Leica nur. Danielas warme, flüsternde Stimme und ihre sanfte Handbewegung wirken hypnotisch. Die mentale Verbindung spielt in Slow EMotion nun. Photo-Model und Pferd sind in Harmonie. Respekt – Vertrauen und Verstehen; eine wunderbare Freundschaft.
Ich erkenne – das Pferd ist eine stille Insel, heilend weit weg vom hektischen Festland Stadt. Welch ein Luxus, diese Freiheit einzufangen. Zeitlos.

Der Stammbaum

Zurück, zur Genealogie, in die Zeit der Ahnen.
„…Ist Er vergeben?“ Die erste Frage des Gutsbesitzers und Edelmannes irritiert den Herren, den Gast aus dem anderen fernen Land. Nach kurzem Schweigen, erwidert der noch Fremde – “Er ist edler Mensch nur, seine Vorfahren kennt Er nicht. (Stille Pause)
Er ist Waise. Eines flanierenden Ritters Kuckuckskind? Weise vielleicht, doch sicher einer der vielen Bewunderer Eurer Tochter Augenweide. Gerne besuchet Er Haus und Garten, so Er Ihn denn eintreten lässt…“
Im Jetzt angekommen. Der fabelartige Stammbaum, vorne in der Schloss-Parkanlage, ist einige hundert Jahre alt. Der hintere sagenhafte, nur wenig jünger. Auch Er besitzt tiefe Wurzeln. Erkennen, berühren sie sich im Heute, irgendwann?

Jenseits

Sie schreibt: „Schickst du mir ein Bild, das dich derzeit am meisten berührt von deinen Bildern, bitte? Geht das?“ Der Reisende, unterwegs vom Medizinmann, fühlt seine Kamera in der Schultertasche. Sein mediales Auge, das die Erinnerung nicht vergisst.
Ein Bild, das mich berührt? Du siehst es jeden Tag – aus den Ländern der vermeintlichen Freiheiten – die Porträts von den traurigen Clowns. Viele der Zuschauer im irdischen Zirkuszelt applaudieren, die lustigen Clowns hinter ihnen hofieren. Nur die Nummerngirls zeigen wie die Zeit verstreicht – Menschen werden geboren. Menschen sterben. „Zeitenwende“, gefolgt von unverhohlenem Hohn?
Die traurigen Clowns, sie glauben die Wahrheit zu predigen, verlassen irgendwann ungläubig das Zirkuszelt.
Aus der Ferne zur Grenze im jenseitigen Land – befreiendes Kinderlachen einer anderen Welt – sie ist auch die des Reisenden.
Mein Bild schenke ich dir.

Augenblicke

Durch das Lächeln der Liebenswürdigkeit blitzt die Kälte für einen Augenblick wie ein Reflex. Erste Porträts seit Monaten.
Es gibt einen Augenblick, wenn alles Alte neu entsteht – die Wärme sichtbar bleibt und im Nirgendwo überlebt. Alles, was ich festhalte, scheint sich aufzulösen.
Vielleicht ist’s der Luxus der Synästhesie. Diese Spielart der Evolution, die dem Bewusstsein ein Verknüpfen der Sinne erlaubt. Das Einschalten des Empfindens generiert mehr Information – das Verbinden der Sicht: Der Geruch des kalten Blicks – der Duft des liebevollen warmen Herzens. Die Magie des Bildes.
Ich denke an Rilke, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge. Die verschmelzenden Themenkreise Wirklichkeit, Identität, das Leben in der grossen Stadt. Malte, der genaue Beobachter. Die fingierte Figur. Malte, im Reifeprozess in der Metropole.
Ich lerne immer noch zu sehen. Die Sinneswahrnehmung ist zentrales Motiv der Aufzeichnung. Die Kamera hat einmal versagt, im Café Corbaci. Wien. Freezing – bei einem gestohlenen Porträt. Das Reset brachte sie zur Vernunft. Die Liebe bleibt.
Nun neue Augenblicke down town, sie dauern oft ewig. Ich wende mich ab, sehe wieder hin, aber da sind sie nicht mehr.

Die Migration

Auf dem Weg zum Meer begne ich Sebastião Salgado. Eine mit Niqab verhüllte Tuareg streift kurz mein Blickfeld am Uferweg. Ich entsinne seiner emphatisch, ästhetischen Schwarz-Weiss-Bilder, Terra, Genesis, Sahel – dunkelgrau verschleierte Menschen in Afghanistan: die Projektarbeiten über Migration, das erzwungene Nomadensein. Die Reise in eine erhoffte, edlere Welt. Die Bilder sind bleiern. Ein Tagtraum?
Ich schlendere den Bermenweg zurück. Die Verhüllte entpuppt – Armarinhos Teixeiras Skulptur-Werk Morfología Oblíqua steht im Kontext zum Ort. Im sicheren Hafengebiet – noch?
Alles fliesst.
Die Passagiere von gestern haben keine Geduld zu warten. Sie steigen nicht zu. Warum sollten sie die Komfortzone verlassen, in einem der reichsten Länder der Welt.

Anonymus

„Hey, Quentin, hetz nicht so.“ Die jungen Stimmen hallen weitunten im Treppenhaus der Hochschule der Künste und das Quietschen der Sneakers signalisiert schnelles Näherkommen. Atemlos huscht die kleine Studententruppe ins obere Stockwerk. Drei Youngsters tragen Guy Fawkes-Masken. Eine mit Kopfband nach vorne. Ihr markant geformtes Gesicht, ungeschminkt schön. „Ich werde an Dich denken, wenn ich alles andere vergessen habe – remember the Fifth of November Gunpowder, treason and plot; I see no reason why gunpowder treason should ever be forgot.”
Sehen so junge Tänzer, Blogger, Hacker aus?
Die Türe zum Gang öffnet sich nochmals und einer der Anonymi spricht langsam, leise, fast unhörbar: „Du, Visual Storyteller – ich sag Dir, was wahr ist; Du kannst Dir Deine eigene Ansicht bilden. Und ich werde an Dich denken, wenn ich im Schatten bin.“ Das Türschloss klickt sanft, mit einem metallischen Ton, in die andere kaum sichtbare Welt.

The Bigger Sleep

Alles ist so verwoben. Nicht auf den ersten Blick. Das Komplexe entdeckst Du mit der Reife. Und es ist nicht zu spät. Der Fussabdruck vom immer wieder ersten Menschen – mit Stempelkissen für die glücklichsten Eltern; oder mit Mondstaub aus dem Meer der Stille? Vielleicht mit weiss gezackten Rändern, mit Kinderlachen im Poesiealbum. Dann hörst Du die sanfte, silbrige Stimme, passend zu ihrem dunklen Haar. Sie hatte schon als kleines Mädchen den so bösen Blick drauf. Und es war nicht die kratzige Wollmütze oder der quälende Sand im Schuh.
Alles so verflochten.
„Es hat mir nichts ausgemacht, wie sie mich nannte, wie mich jemand nannte. Aber in diesem Raum musste ich leben. Es war alles, was ich in der Art eines Zuhauses hatte. Darin war alles, was mir gehörte, das für mich eine Verbindung hatte, eine Vergangenheit, irgendetwas, das an die Stelle einer Familie trat. Nicht viel: ein paar Bücher, Bilder, Radio, Schachfiguren, alte Briefe, solche Sachen. Nichts. So wie sie waren, hatten sie alle meine Erinnerungen.“ (Raymond Chandler, im schillernden Beziehungsroman The Big Sleep.)
Und dann eine neue starke Stimme, die Performerin Sophie Jung, hier mit ihrem Werk The Bigger Sleep, einer spiegelnden Rauminstallation mit neuem Deutungshorizont. Surreale Skulpturen und lieblich-vertraute Objekte – „lost souls“. Viele Fragen nach Realität und Fiktion.
It’s not what it lookes like. Auch die getigerte Main Coon ist vielleicht eine schwarze Scottish Fold.
Und – die kleine Schuhnummer 22, wieder ein grosser Schritt für die Menschheit. Verbundenheit ist das Schlüsselwort in Sophie’s Welt – aufgewacht aus dem tiefen Schlaf.

Die Maiden

Die Mägde Catharina und Maria sterben jung. Mit nur 20 und 28 Jahren. Doch was ist mit dem Kind der noch ledigen Mutter Maria geschehen?
Wir schreiben das Jahr 1895. Das Vergangene, das Dunkel ist nicht leer. 300 Jahre später; Informationen im Wartezustand. 30 heimlich besprochene Audiokassetten zeugen vom Leid und Schicksal der Magd. Die Frau als Eigentum und Dienerin. Die Fruchtbarkeit der Menschen ist dramatisch zurückgegangen. Mägde sorgen für den Nachwuchs der Oberschichten. Kaltes Schaudern überzieht mich beim Gedanken an die Science Fiction Szenen aus „Die Geschichte der Dienerin“ von Margaret Atwood. „Der Report der Magd“ (Original – The Handmaid’s Tale), ein dystopischer Roman; das Porträt eines totalitären Männerregimes. Wir schreiben das Jahr 2195.
Das wahrlich Erschreckende an Atwood’s Fiktion – die negative Utopie, sie scheint in religiös autoritären Gesellschaften wahrlich keine Fiktion zu sein. Nicht nur dort. Ist der Mensch in einer Zeitschleife gefangen?

Im Urlicht

Ein Haus am Ende der Strasse, auf einer Bergkuppe – im freien Land. Die Aussicht, berauschend. Die Sonne blendend. Ruffreudige Dohlen schweben vorbei – kunstvoll nutzen sie heftige Turbulenzen – schwirren aus dem Blick, scheinbar bis zu den Cirren hoch. Fern schwingt klassische Musik im Wind. Eine Symphonie. Die warme, tiefe Frauenstimme, eine Contra-Alto, trägt mich näher zum ungeschminkten Gebäude hin.
Ich erkenne das Orchesterwerk – Mahlers Zweite Symphonie, Resurrection, die Auferstehung, und die bekannte Gesangs-Partie: Im Urlicht.
„…Es klingt alles wie aus einer anderen Welt herüber. Und – ich denke, der Wirkung wird sich niemand entziehen können. – Man wird mit Keulen zu Boden geschlagen und dann auf Engelsfittichen zu den höchsten Höhen gehoben…“ so Gustav Mahler in einem Brief 1895 über sein sehnsuchtsvolles forderndes Werk.
Mahler klingt nach Bildmusik und inspiriert. Das Zeitbewusstsein ist plötzlich weg. Das Traurig-Schöne im Chores-Sang widerspiegelt die tägliche Wirklichkeit: Begierde, Liebe, Wut, Chaos, verdrängte Sucht – bis hin zum geordneten Vergeben. Der Ego-Rhythmus ist sehr stabil. Menschliches, Allzumenschliches. Nietzsche und Mahler – sie sind weit mehr als nur Zeitgenossen.
Bleibt zum Träumen noch Raum? Ich nehm ihn mir. Mit der Kamera.
Mein Vesper-Glas bleibt leergetrunken. Die sphärischen Chorstimmen sind verstummt und die Fensterflügel verriegelt.
Bald ist Winterzeit. Die Blumen schon ausgetrocknet.
Ich werde auf eine weite Reise gehen.

Berggasse 19

Eine Zugehfrau wischt mit einem feuchten Tuch Wollmäuse von den Treppen zum ersten Stock. Nachboten vom Vortag. Sauber soll sie sein, die zum Museum umfunktionierte frühere Ordination und Wohnung von Professor Sigmund Freud in Wien. Die Tür zur Eingangskasse nur angelehnt. Ein junger Mann in dunkler Hose, weissem Hemd mit Fliege und fast zu perfekt – mit John Lennon-Brille. Ein junger Sigmund. Sonst keine Menschenseele, hier frühmorgens im Haus, wo jahrzehntelang bis 1938 hunderte von Seelen psychoanalytisch fürs andere Leben ausgelotet wurden.
In liebevollem Wienerisch meint der junge Mann: „Das Museeum ööffnet erst um zeehn, biitte“. Wenn ich ihn so reden höre denke ich an Franz Huchel, den Protagonisten in Seethalers Roman „Der Trafikant“ – die Geschichte des jungen Franz, seiner Liebe zu Anezka und seine Freundschaft mit Sigmund Freud im Wien der Dreissigerjahre. Nun tauche ich ein in das frühere Leben, rieche den würzigen Tabak und höre das Knistern von Freuds Zigarre.
„…Nachdem der Professor im Haus verschwunden war, legte Franz sein Ohr an die Tür und schloss die Augen. Das Holz war immer noch sonnenwarm, und drinnen verhallten Freuds Schritte im Stiegenhaus…“

Memento Mori

Hat Brantly Bright vom Ballett-Tanz- ins Schauspielfach gewechselt? Nach Jahren begegne ich der früheren Primaballerina in der Medienmatrix – ein Bild von ihr. Ein Filmstill? Brantly, aus Corpus Christi, sitzend vor einem Mikrophon auf einer Art Tribüne. Ist es ein Altar, ein Predigersitz, eine Kanzel? Das dunkle Holz vermittelt kühle Strenge.
Die Geschichte dieses Bildes birgt unendliche Trauer. Brantly ringt im Gerichtsaal um den sinnlosen Unfall-Tod, das verlorene Leben ihrer jungen Tochter Elena.
Ein alkoholisierter Raser ist des Mordes angeklagt. Elena wird im September 2009 in der Wait Chapel, Wake Forest University, North Carolina, zu Grabe getragen.
Das berührende Bild aus der Medienwelt holt mich nun – Jahre später wie ein Blitzschlag ein.
Die Kanzel, das Mikrophon, der steril-kühle Raum wie eine Fiktion – träume ich oder erinnere ich mich an einen Traum?
Doch beide Räume sind Wirklichkeit des Memento Mori.
Auch hier, in der Ersten Kirche Christi, am Picassoplatz geht’s um das Sterben. Der deutsche Photokünstler Thomas Struth, begleitet Forscher der Veterinärmedizin bei Studien zur Artenvielfalt. Sein jüngstes Werk Animals beleuchtet Tierwesen, nach dem Moment ihres natürlichen Vergehens. Das Projekt in der ehemaligen, von Otto Rudolf Salvisberg (1882-1940) erbauten Kirche, ist Teil eines öffentlichen Parcours während der Art Basel. Struths Sujets erscheinen im weiten Raum wie aufgehoben zwischen Leben und Tod. Ein Auferstehen in ihrer eigenen Schönheit. In Würde und Schärfe mahnen die Tierwesen an die Vergänglichkeit des Lebens. An den unendlichen Schlaf. Elena.

Salander

Die Charakterfigur und Heldin Lisbeth Salander, in Stieg Larsons weltbekannter Trilogie Millennium, verleiht der skandinavischen Skandal-Story Gänsehaut.
Es geht um Familiendramen, Korruption, Prostitution, Rufmord, Spionage, grosse Verschwörung. Und immer wieder um Gewalt gegen Frauen. Dabei wird nichts geschönt.
In der Millenium-Trilogie Verblendung, Verdammnis, Vergebung spielt Noomi Rapace die Protagonistin Salander. Die zierliche, unberechenbare, hochintelligente junge Frau steht unter zweifelhafter Vormundschaft. Sie ist fabelhafte Hackerin und besitzt ein photografisches Gedächtnis – trägt Tattoos und Piercings, schminkt sich schwarz, kleidet sich auffällig. Ein Freak.
Viele Geheimnisse umgeben sie, ihre Andersartigkeit wirkt faszinierend. Salander kämpft – wie so viele Menschen – um Gerechtigkeit.
Das Photo-Projekt, inspiriert von Lisbeth Salander, ist für Räume einer Jugend-Anwaltskanzlei bestimmt.
Metapher der Auftragsarbeit: „Die Falschheiten, Demütigungen und Verletzungen, die im menschlichen Angstraum eine tiefschwarze Tonalität auferlegen, sollen bildlicher Ästhetik begegnen“.
Ist das Böse wohl nur ein Webfehler der menschlichen Struktur?

A. J. Quinnell

Der Weg zu seinem Haus auf der Anhöhe von Kerċem ist nur mit Guide zu finden. A. J. Quinnell, der Thriller-Autor, lebt zurückgezogen; fern der Jetset-Welt. Für seine Arbeit sucht der Erfolgs-Autor in der faszinierend kargen Landschaft auf Gozo die Ruhe, das Alleinsein. Sein altes Anwesen ist aus massivem Stein gebaut. Eine Schutzhülle, ein Kokon zur Mystery-Welt?
A. J. Quinnell – ein Pseudonym. Die Bücher des Autors erreichen Millionenauflagen und sind in die wichtigsten Sprachen der Welt übersetzt. Die Romane – packend, raffiniert erzählt. Die Recherchen, undercover, ausnahmslos punktgenau. Miterlebt, den Geruch der Angst. Kriege, Geheimdienste, Killer-Kommandos. Quinnell kennt das Blut des verwundeten Soldaten, den Schock, seine Liebste zu verlieren. Am weissfahlen, kalten Körper zu trauern. Schmerzen, Wut, endlose Zeiten. Dann das Vergeben, Hoffen. Die Neugeburt. Wenn er schreibt, spricht seine Seele. Nacht ist der Tag.
Anfang der 90er, in Mgarr, Gleneagles Bar – ein erstes Treffen mit Quinnell. Viele Gespräche über sein Leben, die Kunst des Schreibens – Diskurse, Buchkritiken bei Wein und lukullisch-gozitanischer Küche binden eine lange Freundschaft. Ein doppelseitiges Porträt in einem Schweizer Print-Magazin amüsiert den sonst so Medienscheunen.
2004 wird einer seiner Bestseller, der Roman „Man on fire“ (dt. Der Söldner/Mann unter Feuer) mit Denzel Washington, Mickey Rourke und Christopher Walken verfilmt. Spannend. Nichts für schwache Nerven.
Die bezaubernde Insel Gozo wird letzte Heimat des in Nuneaton (GB) geborenen Bestseller-Autors. Philip Nicholson – so sein bürgerlicher Name – verstirbt dort 2005 erst 65-jährig. Nicht nur die Landschaft bleibt.

Du siehst mich nicht

Ich bin eine Maine Coon. Du kannst mich nicht sehen, so tief im Gebüsch. Musst viele Augen haben, vielleicht dann – vielleicht dann, irgendwann, wenn ich mich räkle erspähst Du mich. Mit der Zeit.
Dein Pech – ich bin schwarz wie die Nacht. Musst viele Ohren haben, um mein Schnurren zu hören. Doch meinen Namen, den verrate ich Dir nicht. Er hat keine Bedeutung für Dich.
Du musst viele Nasen haben, um mich zu erschnuppern – wenn Du Glück hast riechst Du den Blütenzauber, vielleicht den moorigen Boden. Bücke Dich nur hin. Ich fühle mich wohl, so im Hortensien- und Oleandergarten. Er spendet mir Vertrauen und viel Sommerfrische.
Nur nachts, da bin ich weg. Du kannst mich nicht erblicken. Und dann ist es zu dunkel für Dich den Garten zu sehen.
Doch ich schenke Dir die flüchtigen bezaubernden Blüten, damit Du weisst, wo ich nicht war.

Shooting Atmosphere

Du kennst das. Du denkst, da wird nie was draus. Wie soll ich die Schönheit denn ins Tageslicht ziehen? Sie ist so bescheiden, bewundernswert blass. So ruhig. Zu sehr. Da wird nichts draus. Hinsetzen. Auf Inspiration hoffen.
Palaver über den Alltag. Mode, Marketing, Design. Smalltalk, über Männer mit klarblauen Augen und pechschwarzem Haupthaar. Die Handtaschen-Sucht, für Weiber so typisch, die Zara-Modelabel, klar für Studies. Die Sehnsucht nach Chillen am Fluss. Im Hintergrund Deep House Music, Feeling Happy – Best Of Vocal.
Neu starten. Über Sensibilität, die vielen Gesichter der Verletzlichkeit reden.
Auch über das Sich-Hinsetzen, im Reinen sein – das blütenweisse Papier und den Kohlestift vor sich, fürs Schaffen ausdruckstarker Porträts. Schwarz-Weiss.
Die Atmosphäre fürs Shooting ist perfekt. Wie von Zauberhand.
Erst unterschätzte Gesichter, dann Erkennen für einen ganzen Tag. Verwandlungskunst in Wirklichkeit.
Jeder kann die Bilder mit Dingen füllen, die er sehen aber nicht berühren kann. Leandra, in faszinierenden Anblicken. Erst scheue Eva, dann stolzes Model. Oder dann mit Amy Winehouse-Blick – in „we only said goodby by words.“ Alles vergeht. So auch die Stunden des Naheseins.
Das Heute ist schon Erinnerung.

Lebensraum Moor

Traumlandschaft. Sanft, wolkenweich. Sich nun hinlegen, einfach nur ausspannen, meditieren.
Der Duft der Moose, erdig, herb. Wellness pur – kostenlos in der Natur. Beim Wandern, fern ab der Hektik der Stadt, sich neu entdecken. Loslassen. Nicht erreichbar, nur für sich alleine sein. No Phone, no Tablet. Digital Detox. Keine Auflagen, keine Vorschriften.
Neuer Genuss. Einatmen. Ausatmen. Den Herzschlag spüren.
Ein Rotmilan kreist unweit über den nahen Fichtenwald. Sein Ruf ist langgezogen, wellenförmig und hört sich klagend an. Keine Zeit für Trauer nun. Keine Tristesse. Einatmen, ausatmen. Natur, Glück, Seligkeit tanken. Sich Sein.
Erst in der Nacht, weiter wandern.

Niemandsland

„Fly yellow bee, fly – follow me, yellow bee, fly.“ Die kleine Anna freut sich auf die Reise von Wien nach London. „Granny“ erwartet Mamma und Enkelin in Gatwick.
Im Ringeltanz verträumt, singend glücklich, was bald folgen mag. Vielleicht ein neuer Teddybär von Oma? Frohlockende, befreiende Szenen sind am Ort des Abschieds eher selten auszumachen. Der Flughafen, Bahnhof, die U-Bahn – Bilder, Situationen vor dem Weggehen und dem Ankommen. Die Zeit dazwischen.
Sie hat oft mit Warten zu tun. Zeitlos wird die Zeit verlebt. Melancholie hängt in der Luft. Kurzes Einsam sein. Und kaum ist die Zeit herum, ist das Warten wie vergessen. „Terra Nullius“, das Gebiet zwischen den Kontrollstellen. Wer liebt dies schon? Es sind Momente des Gehens und des Kommens. Erleben wie Anna – so oder so – einfach befreit.

Himmelwasser

Löschweiher, Löschteiche („Feuerseen“), stammen aus mittelalterlicher Zeit. Da gab es noch keine zentrale Wasserversorgung.
Quell- oder Regenwasser (Himmelwasser) wurde meist in Siedlungen, im Ortskern bei Dorfbrunnen gespeichert. Mit einer Eimerkette, später mit Pumpen, konnten die Mannen der Feuerwehr das Wasser einfach vor Ort nutzen.
Das Reinehalten des Wassers ist wichtig – gegen Verschlammen hilft oft nur das periodische Reinigen. Fische sind gern gesehene Helfer.
Der gespiegelte „Feuer-Teich“, im frühmittelalterlichen Weinbergdorf im Markgrafenland, wird heute noch von Röhrenbrunnen-Quellwasser gespeist.

Andere Stimmen, andere Räume

Lautes Gelächter, vielmehr ein stakkato-artiges Gekicher hallt von oben aus dem „Zimmer der Witwen“ (so der etwas skurrile Name). Im Saal unten, das Vorbereiten für ein grosses Fest.
Eine reiche Familie aus Florenz führt morgen ihren Sohn vor den Traualtar. Die attraktive künftige Schwiegertochter ist in einer Bauernfamilie nahe Artiminio gross geworden. Die junge Anwältin Antonella wird ihren Ermenegildo „il mio uomo“ nennen.
Die im 16. Jahrhundert erbaute Villa Medici ist vom ehemalig ruralen Jagdsitz zum beliebten Ort für feierliche Veranstaltungen – vor allem Hochzeiten mutiert. Jagd nun so oder so beendet. Der noch dunkle Saal wird bald erhellt zum Tanze rufen. Bis dann sind Polanskis Vampire sicherlich verjagt.